Bericht zum Herbsttreffen des BMW 6er Club e.V.
vom 29.09. – 01.10.2023 im Weserbergland
Beginnende Schizophrenie, sinnfreie Sprüche und Fernblicke.
Nein, ich bin nicht schizophren. Jedoch begibt sich der geneigte Oldtimerfahrer gelegentlich in eine Art Geistesabwesenheit und lässt die Gedanken schweifen, denn die sind bekanntlich frei. Vor allem wenn man mitten in der Nacht aufsteht um knapp 700 km zum Herbsttreffen zu fahren, um zumindest etwas Strecke gut zu machen, ehe der Irrsinn der LKW-Lawinen beginnt – von den gefühlt 100 Baustellen ganz zu schweigen.
So verfällt man mit sich, seinem Auto und Mr Zetty in einen stillen Dialog. Mr Zetty ist der Teddy mit BMW-Pullover, der seit meiner Zeit in Florida mitfährt und den mir die BMW-Lamborghini Niederlassung in Sarasota geschenkt hat. Und dieser Dialog geht in etwa so:
Ich: Na Jungs, jetzt geht es endlich wieder los!
6er: Nach 2 Jahren Restaurierung wird´s auch Zeit!
Zetty: Ich wurde nicht restauriert, ich bin noch frisch, nicht so wie die Kiste hier.
6er: Nicht frech werden, Du Ersatz für die Muppet-Show.
Ich: Ruhe! Es ist 3 Uhr früh…
Nein, ich bin nicht schizophren. Aber die A7 trägt nicht gerade dazu bei, andere Gedanken aufkommen zu lassen, es geht mehr oder weniger stupide einfach immer gerade aus Richtung Norden. Und die LKW-Fahrer waren irgendwann auch aufgewacht.
Tankstopp irgendwo bei Fulda. Hinter mir ertönte ein „Holla, die Waldfee!“ Kenne ich nicht dachte ich mir, aber die Quelle dieses für mich sinnfreien Spruchs (welche Waldfee?) ergänzte das Ganze mit der Frage „Ist das ein echter 7er?“. Umdrehen meinerseits war nicht notwendig, denn schon stand er neben mir, in seiner Pracht der Sandalen mit Socken und einem Jogginganzug aus dem Fundus von Modern Talking. Selbst wenn oder wenn nicht, was wäre die Alternative? Ein unechter? Ein umgebauter Traktor? Aber ich wollte nach Herford, also nickte ich freundlich, bezahlte und flüchtete.
6er: Ein 7er, der hat ja Ideen.
Zetty: Blech ist Blech, bei dem Alter auch schon egal
6er: Jetzt hör mal zu Du fransiger Waschlappen, mit Dir poliert man am besten….
Ich: Ruhe!
Bin ich schizophren? Zumindest im Hotel Waldesrand, unserer Basis für die kommenden Tage, wusste man mich zuzuordnen und ich bekam an Stelle des gebuchten Einzelzimmers ein Doppelzimmer mit Zustellbett. Falls noch ein paar multiple Persönlichkeiten dazukommen sollten. Aber unabhängig davon, waren die ersten Kollegen schon da und wir genossen einen sonnigen Voranreisetag in einem sehr schönen 4-Sterne Hotel, bestens ausgesucht von Familie Wächter, den Organisatoren des Herbstreffens. Es wurde ein langer, vergnügter Nachmittag und Abend. Wir – pardon – ich fiel todmüde ins Bett.
Freitag – es ging los! Für diejenigen, die bis Mittag schon anreisen konnten, wurde ein Bus gechartert, der uns zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica brachte, einem Monumentalbau auf dem Wittekindsberg, von dem man einen grandiosen Fernblick über die Landschaft hatte, denn Fernblicke verbessern manchmal die Weitsicht. Blicke dorthin, wo die Weser einen großen Bogen macht. Vielleicht um Holla, die Waldfee?
Unser Mittagessen im „Wilhelm 1896“, dem zum Denkmal gehörenden Restaurant, fand dann in ebenso luftiger Höhe statt, zum Glück in einem modernen, weniger monumentalen Restaurantambiente, sodass man sich die westfälische Küche in heiterer und lockerer Runde schmecken lassen konnte. Bodenständig ist nicht unmodern.
Nicht weit davon entfernt, gab dann eine Führung am Wasserstraßenkreuz Minden, einem der größten Wasserstraßenkreuze der Welt. Fernblick gab es hier keinen, dafür Einblick in ein für einen Laien recht verwirrendes Netz aus Flüssen, Kanälen und Brücken die Wasser und somit Schiffe führen können. Nur Profis behalten hier den Überblick, aber das gilt ja in allen Lebenslagen.
Am Abend gab es wie so oft ein sehr schönes Buffet und unbestätigten Gerüchten zufolge, verzogen sich ein paar nicht mehr zu bestimmende Gestalten im Schutze der Dunkelheit zu frisch restaurierten Karossen in deren frisch restaurierten Kofferraummulden Edelstoff lagerte, um verkostet zu werden. Alleinig der Verdauung des Buffets wegen, natürlich. Was sonst.
Samstag – Ausfahrt durch das Weserbergland. Das könnte man jetzt so stehen lassen, aber die Streckenführung mit dem liebevoll gestalteten Roadbook, welches namentlich personalisiert wurde, war sensationell. Die Führung im Schloß Bückeburg, bei der die nächsten Sprüche seitens eines Gästeführers fielen, der das biologische Wunder vollbrachte, ohne Luft zu holen sprechen zu können, war auch nicht schlecht, aber die Vorfreude auf den zweiten Teil der Strecke war – mit Verlaub Eurer Durchlaucht – größer. Doch eine Pause im prächtigen Schloßgarten tat gut, einige ließen die Seele beim Flanieren, andere bei einem grandiosen Espresso an einem französischen Pavillon baumeln. Auch wir können Adel. 6er Adel!
Der weitere Verlauf der Streckenführung zur Kaffeepause im Bauernhofcafe Berghof enttäuschte nicht, es ging wieder durch Kurven und nochmals Kurven, Fernsicht und (meistens) Weitblick inklusive. Bei Kaiserwetter und glänzenden 6er Coupés. Alle Autos blieben standhaft, es gab keine Ausfälle. Somit waren auch alle knapp 60 Teilnehmer wieder pünktlich zum Abendessen zurück, damit wir ein wunderbares Treffen im Ambiente des Hotels und dem dazugehörigen dunklen Parkplatz, mit den nicht mehr identifizierbaren Gestalten, ausklingen lassen konnten. Familie Schalk stellte mit großer Vorfreude das Frühjahrstreffen 2024 im Zillertal vor. Fernblick und Weitsicht inklusive, je nach Wetterlage.
6er: 700km stehen wieder an – kein Problem, das schlucke ich weg wie nichts.
Zetty: Wenn ich so viel schlucken würde wie die alte Kiste, wäre ich in einer Anstalt!
6er: Wie bist Du eigentlich durch den Zoll gekommen? Aber das Hirn wird da ja nicht untersucht…
Zetty: Sagt Holla, die Waldfee…
Ich: RUHEEE! Zum letzten Mal, es ist 3 Uhr früh!
Nein, ich bin nicht schizophren, das muss man sich einfach immer und immer wieder sagen.
Gerhard Holmer